Die Weihnachtsmärkte sind geöffnet und verbreiten ihre Wohlgerüche. Es duftet nach gerösteten Mandeln, Lebkuchen und würzigem Glühwein. Die Adventszeit – die Zeit der Lichter – hat begonnen. Die Menschen erfreuen sich an den vielen hübschen Dekorationen in den Straßen und Geschäften, die Wärme und Gemütlichkeit ausstrahlen. Weihnachten steht vor der Tür.
Auch in Japan feiern viele Menschen Weihnachten, Kurisumasu genannt, obwohl nur rund zwei Prozent der Japaner Christen sind. Mit der weltweit zunehmenden Kommerzialisierung haben Weihnachtsmänner und typischer Weihnachtsschmuck schon lange den Weg in die japanische Gesellschaft gefunden. Weihnachtlich dekoriert sind insbesondere die Kaufhäuser, die großen Hotels und manche Restaurants, aber auch beliebte Einkaufstraßen, z. B. im Ginza-Viertel in Tokyo. Vor allem junge Leute und Familien mit kleinen Kindern feiern oft ein Weihnachtsfest in Form eines schicken Essens zuhause oder in einem Restaurant, wobei auch der Weihnachtskuchen nicht fehlen darf. Als Geschenke werden eher kleine Gaben verteilt. Aus gutem Grund: Das Neujahrsfest – Oshogatsu – ist nicht mehr fern, und dann erhalten die japanischen Kinder traditionell von ihrer Familie und ihren Verwandten reichlich Geldgeschenke, die Otoshidama heißen.
Übrigens: Japan hat 1873 den gregoreanischen Kalender übernommen. Seither findet das Neujahrsfest vom 1. bis 3. Januar statt. Das chinesische Mondjahr, das erst zwischen dem 21. Januar und dem 19. Februar beginnt, wird in Japan offiziell nicht mehr berücksichtigt.
Unsere Vorweihnachtszeit – der Monat Dezember – ist in Japan die Bonenkai-Zeit. Bo heißt Vergessen, nen heißt Jahr und kai heißt Feier. Es handelt sich beim Bonenkai also um eine „Feier zum Vergessen des Jahres“. Der Bonenkai ist auf einen Brauch zum Jahresende zurückzuführen, der bereits eine lange Tradition hat. Er ist heutzutage eine Feier, bei der Arbeitskollegen, Vereinsmitglieder, Studentengruppen und Freundeskreise zusammen essen und trinken und das fast vergangene Jahr Revue passieren lassen. Der Ursprung des Bonenkai reicht weit in die japanische Geschichte zurück. So gilt u.a. ein Fest am Jahresende zu Ehren der Verstorbenen während der Heian-Zeit (794-1192) als ein möglicher Ursprung. In der folgenden Kamakura-Zeit (1192-1333) feierte man zum Jahresende „Toshi wasure“, was ebenfalls „das Jahr vergessen“ bedeutet. Allerdings unterschied sich dieses Fest noch sehr vom heutigen Bonenkai, denn dort wurden nur von den Angehörigen des Adels in einem sehr eleganten und festlichen Rahmen „Kettengedichte“ – Renga – verfasst und vorgetragen. Dieser Brauch wandelte sich allmählich und wurde schließlich von der ganzen Bevölkerung übernommen. Während der Edo-Zeit (1600-1867) bildete sich dann die Form des Bonenkai heraus, wie sie heute allgemein üblich ist.
Der Bonenkai ist ein fester Bestandteil der japanischen Alltagskultur. Man trifft sich, um noch einmal auf das gemeinsam verbrachte Jahr zurückzublicken und auf das gemeinsam Erreichte ein Kampai (Prost) auszubringen. Dabei ist dies zugleich eine gute Gelegenheit, Vorgesetzten oder Kollegen endlich einmal die Meinung zu sagen, insbesondere wenn im Laufe des Abends die als typisch japanisch geltende Zurückhaltung dank des reichlich fließenden Sake nachlässt. Am nächsten Tag ist zwar alles vergeben und vergessen. Trotzdem sollte die „klärende Kraft“ des Bonenkai nicht unterschätzt werden. Sie ist ein gutes Beispiel dafür, wie es den Japanern gelingt, sich mit den Konventionen im zwischenmenschlichen Umgang zu arrangieren.
Eine typische Bonenkai-Speise ist übrigens Nabe oder – höflicher – Onabe. Nabe heißt Kochtopf. Der Topf steht auf einem kleinen Gaskocher auf dem Esstisch und enthält eine würzige Brühe. In dieser Brühe kocht man in beliebiger Reihenfolge Fischstücke, Meeresfrüchte, dünne Fleischscheiben, Pilze, Gemüse und Nudeln oder Reis. Auf das Gekochte greifen alle, die um den Tisch sitzen, mit ihren Holzstäbchen zu, dippen es in eine Sauce (z. B. auf Soja- oder Sesam-Basis) und lassen es sich gut schmecken.
Übrigens: Der Monat Dezember ist in Japan der 12. Monat – Junigatsu. Er heißt auch Shiwasu, was so viel heißt wie „Priester rennen“. Sie rennen, weil sie mit der Vorbereitung des Neujahrsfestes beschäftigt sind.
Wenn das dreitägige japanische Neujahrsfest vorbei ist und man die Arbeit wieder aufnimmt, beginnt die Shinnenkai-Zeit. Es ist die Zeit der Feste zur Begrüßung des neuen Jahres (Shin-nen), die sich über den gesamten Monat Januar erstreckt. Arbeitskollegen und Freunde setzen sich zusammen, essen und trinken gemeinsam und wünschen sich alles Gute für das neue Jahr. Wenn der Chef seine Mitarbeiter einlädt, trinkt man selbstverständlich auch auf das Wohl der Firma oder Arbeitseinheit und die Erreichung gemeinsamer Ziele im neuen Jahr. Man verspricht sich gegenseitig, stets das Beste zu geben und kollegial zu sein, sich weiterhin für das Team einzubringen.
Wir wünschen allen Mitgliedern und Freunden der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Freiburg Matsuyama e.V. ein frohes Weihnachtsfest und ein glückliches neues Jahr.